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Pilotprojekt bei Organ-on-Chip erfolgreich
Das Pilotprojekt „Multi Organ Model“ eines Industriekonsortiums konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Das Biotech-Unternehmen Dynamic42 und Forschungspartner haben ihre Ergebnisse eines Drei-Organ-System aus Leber, Darm und Plazenta zur Arzneimittelsicherheit unter Reduzierung von Tierversuchen publiziert.
Die Dynamic42 GmbH, ein Entwickler für innovative Organ-on-Chip-Lösung in Jena, und die ESQlabs GmbH (Saterland bei Oldenburg) mit ihrer Expertise für digitale Life-Sciences-Lösungen, haben in enger Zusammenarbeit mit der Bayer-Division Consumer Health und dem Plazenta-Labor des Universitätsklinikums Jena eine Plattform entwickelt, die Tierversuche durch den Einsatz von Organ-on-Chip-Technologie (OoC) und interaktiver Berechnungssoftware maßgeblich reduzieren kann. Ziel des einjährigen Pilotprojekts war es, klinisch relevante Daten zu sammeln, die für die Evaluierung neuer Arzneimittelkandidaten in der präklinischen Forschung entscheidend sind. Die Ergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift Frontiers in Pharmacology veröffentlicht.
„Wir haben eine neue, spannende Möglichkeit geschaffen, MPS (Microphysiological systems) in einem Multi-Organ-Setting mit In-silico-Vorhersagen zu kombinieren. Mit dieser Plattform können wir die Sicherheits- und Wirksamkeitsbewertung von Medikamenten auf eine ganz neue Ebene heben“, erklärt Martin Raasch, Geschäftsführer von Dynamic42.
Im Fokus des Projekts stand die Untersuchung, ob bestimmte Wirkstoffe die Blut-Plazenta-Schranke bei schwangeren Frauen durchdringen können – einer Gruppe, die aufgrund ethischer und praktischer Einschränkungen selten in klinischen Studien berücksichtigt wird. Besonders wurde die Wirkung von Kortikosteroiden wie Prednison untersucht, da in diesem Bereich bislang nur begrenzte Daten zur Pharmakokinetik und Sicherheit vorliegen.
„Diese Zusammenarbeit ist ein großer Meilenstein für die Entwicklung neuer Mechanismen zur Untersuchung der Plazentaschranke und ihres bidirektionalen selektiven Transports beim Menschen“, so Priv.-Doz. Dr. Diana Morales Prieto, stellvertretende Leiterin des Placenta Lab der Uniklinik Jena. Die entwickelte Plattform von Dynamic42 basiert auf der sogenannten Organ-on-Chip-Technologie und simuliert drei wesentliche menschliche Gewebe, die an der Arzneimittelverwertung beteiligt sind: Leber, Darm und Plazenta. Ein integriertes Pumpensystem sorgt für eine realistische Simulation der Stoffverteilung zwischen den Geweben. Die gekoppelte digitale Analyse ermöglicht eine präzise Übertragung auf menschliche Gegebenheiten.
„Durch die Integration von In-silico-Simulationen mit Multi-Organ-MPS-Plattformen heben wir präklinische Tests auf ein neues Niveau von Präzision und Zuverlässigkeit“, sagt Dr. Christian Maass, Geschäftsbereichsleiter von MPSlabs bei ESQlabs.
Die Plattform stellt eine vielversprechende Alternative zu Tierversuchen dar und könnte zukünftig eine wichtige Rolle bei der Bewertung der Arzneimittelsicherheit und -wirksamkeit spielen. „Es ist seit Jahren ein wichtiges Anliegen von Bayer, Tierversuche zu minimieren“, sagt Assoc. Prof. Dr. Ramy Ammar, Science Innovation Director bei Bayer. „Im gemeinsamen Projekt mit ESQlabs, Dynamic42 und dem Placenta Lab haben wir neue Ansätze entwickelt, um Tierversuche weiter zu minimieren.“ Angetrieben werden derartige Entwicklungen neuer, vergleichbarer physiologischer Mikroumgebungen für die Humanarzneitestung durch die Reform von FDA-Zulassungsverfahren, die nicht mehr zwingend Tierversuche vorschreiben, sondern auch Alternativen ausdrücklich zulassen, wenn die Industrie dazu valide Daten zur Vergleichbarkeit liefern kann. Das Pilotprojekt der Partner rings um Dynamic42 kann dabei eine wichtige Rolle einnehmen, da es heute in vielen Fällen schwierig ist, die Ergebnisse präklinischer Versuche in Tieren auf Menschen zu übertragen.
Pharmaunternehmen investieren bereits in diesen Bereich, so wie Bayer als Teil dieses Konsortiums, oder wie die Darmstädter Merck KGaA, die vor wenigen Monaten einen niederländischen Spezialisten für Organoide gekauft hat.